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Aktuell: Sterbehilfe

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ist mit Quellenangabe frei.

 

STERBEHILFE: DIE VERURTEILUNG DES MICHAEL BRAND

 Hanjo Lehmann      

1)

Michael Brand, ich verurteile dich
im Namen Gottes und der Menschen verurteile ich
dich, der du allen im Land das Recht nehmen willst
aus dem Leben zu gehen in eigener freier Entscheidung
mit Hilfe eines Arztes, der dazu bereit ist
und den du bestrafen willst, warum, mit welchem Recht
Was meinst du, warum gibt’s denn Sterbevereine
Glaubst du, Suizid in der Schweiz ist ein Vergnügen?
Nein, sondern das sind tief verzweifelte Menschen
die nichts wollen als selbstbestimmt sterben
und die darum beten, ein Arzt möge helfen
Was aber bietest du diesen Ärmsten der Armen?
Nur Luftschlösser: „Mehr Hospize! Mehr Palliativmedizin!“
Aber was hat sie denn, die Palliativmedizin
was nicht jeder Arzt seit fünfzig Jahren hat?
Nicht, gar nichts, nur Reden und Medikamente
und das Warten, Warten, Warten auf den Tod
Doch wenn einer nicht warten will? Warum darf er
nicht gehen, wenn er will, und warum darf ihm
der Arzt nicht dabei helfen? Das wagst du zu verbieten
Dafür, Michael Brand, verurteile ich dich
zu jener Art des Sterbens, zu der du
alle verurteilst, auch diejenigen die da spüren
dass sie dabei sind elendig zu verrecken
vom Krebs zerfressen, den Bauch voll Metastasen
mit Darmverschluss, so dass ihnen die Kacke
zum Maul herausläuft, genauso sollst auch du
sterben und leiden und auf dein Ende warten
ohne Gnade, ohne Ausweg, ohne Hoffnung
dass ein Arzt dir hilft, sanft zu sterben
so, Michael Brand, sollst auch du verrecken
dazu verurteile ich dich.

2)
Auch dich, Kerstin Griese, verurteile ich
obwohl, eigentlich müsste ich dich ohrfeigen
du dummes Ding, für diesen erbärmlichen Satz:
„Menschen mit Suizidwunsch sind meistens psychisch krank“
Woher weißt du das, du alberne unreife Göre?
Mit wie vielen Sterbewilligen hast du gesprochen?
Der Krebskranke, der es kaum noch zur Toilette schafft
zwei Metastasen im Hirn, jetzt die dritte: psychisch krank?
Der MS-Patient, seit fünfzehn Jahren im Rollstuhl
dem jetzt auch die Stimme versagt: psychisch krank?
Nein, die wollen einfach nicht mehr leiden
und denen erklärst du mit geheuchelter Betroffenheit
„Wie wollen eine sorgende Gesellschaft!“
Ja, die will ich auch, aber wir haben sie nicht
sondern wir haben zwanzig Millionen Einsame
zwei Millionen, die sprechen mit niemandem mehr
nicht aus Versehen, sondern das ist unser System
Einsamkeit ist die Kehrseite der Freiheit, so ist das nun mal
und was du an guten Absichten in die Welt trompetest
ändert die Welt um keinen Millimeter
nur das Gesetz, das du machen willst, ändert alles
für alle, die mit guten Gründen sterben wollen
darum, du Unbelehrbare, verurteile ich dich
zum langen Leben nach einem Schlaganfall
eine Seite gelähmt, das Sprachzentrum betroffen
Denken kannst du, doch heraus kommt nur ein Lallen
Lass es dir gut gehn in Rollstuhl und Pflegeheim
jetzt kannst du nachdenken über würdevolles Sterben
dazu verurteile ich dich.

3)
Dich aber, Patrick Sensburg, verfluche ich
Wer bist du denn? Ein kleiner smarter Grünschnabel
ein aalglatt Geschniegelter, der nichts vom Leben
gesehen hat als Schulen, Kasernen, Büros
wie kannst du es wagen, auch nur leise zu flüstern
in jenen letzten Fragen wo nur die mitreden dürfen
die wissen was Leid ist, die den Schmerz des Alters
gekostet haben, und die wissen wie grausam
Sterben sein kann, nur die dürfen mitreden
nicht aber Schnösel wie du, merk dir das!
In den Knast soll, wer anstiftet zum Suizid?
Willst du Goethe verhaften, weil er den Werther schrieb?
Oder Jean Amery für sein Buch „Hand an sich legen“?
Also halt’s Maul, Bengel, und höre, wenn ich dir
dein Ende prophezeie: Parkinson letztes Stadium
alle Muskeln starr, du möchtest sprechen, schreien
aber kein Laut kommt, nur Sabber läuft aus den Lippen
wie ein Stück Holz schiebt man dich herum
legt dich flach, wechselt vollgeschissene Windeln
setzt dich in deinem Rollstuhl vor die Glotze
alle paar Monate Besuch, der fragt dann
Doktor, wie lange kann das noch so gehen?
Ach, sagt der Arzt, das kommt ganz darauf an
drei Jahre oder fünf, vielleicht länger
keine Sorge, er ist hier in guten Händen
so wird es sein, Sensburg, dein jämmerliches Ende
dazu verurteile ich dich.

4)
Und auch dich, Angela Merkel, verfluche ich
verlogenes Gezücht, das du bist, welches heute
Panzer verkaufst aller Welt, und am Tag darauf
den Ärmsten verkündest: „Kein Geschäft mit dem Sterben“
Morgens erklärst du, die Burka gehört zu Deutschland
abends verbietest du selbstbestimmtes Sterben
mit Hilfe eines Arztes, der sich auskennt
o du Heuchlerin, du freche Kauffrau des Todes
die du das Morden verkaufst in fremden Ländern
was unterstehst du dich, jenen ein sanftes Sterben
zu versagen, deren Leben nur noch Leid ist
Ärzten zu verbieten, ihnen zu helfen
auf dass denn, wenn einer wirklich gehen will
ihm nichts bleibt als Erhängen oder Erschießen
von Brücken stürzen, der Sprung vor Eisenbahnen
so dass auch wer ihn findet für immer verwundet ist
Das Blut der Zerfetzten, Verzweiflung der Erhängten
soll dich heimsuchen, in deinen Nächten quälen
das wird dein Fluch sein. Dazu, Angela Merkel
verurteile ich dich.

5)
Dich, Eva Högl, muss ich nicht verfluchen
es ist dein eigenes Gesicht, das dich verflucht
dieses Gesicht, an dem alles falsch ist
falsches Lächeln, falsche Freundlichkeit
der falsche Blick aus falschen Schweinchenäuglein
wahrlich, die SPD muss tief gesunken sein
wenn da Leute wie du nach oben schwimmen
mit diesem falschen aufgeschwemmten Gesicht
Gesicht eines Menschen, den einzig die Droge Macht
im Leben hält, und wenn einst der Tag kommt
wo die Macht von dir abfällt wie ein welkes Blatt
wirst du vorm Spiegel stehn, und du siehst: Nichts
ein armes Nichts, ein verworfenes Stück Fleisch
den Menschen ein Abscheu, dir selber ein Ekel
dazu die Stimme in dir, die unablässig flüstert
Mach ein Ende, mach doch endlich ein Ende
Aber wie denn. Vielleicht Schlafmittel? Oder Erhängen?
Nein, da fehlt dir der Mut, und so vegetierst du,
Eva Högl, bis an dein einsames Ende
dazu verurteile ich dich.

6)
Dich, Frank Ulrich Montgomery, verachte ich
du, null Prozent Arzt, hundert Prozent Funktionär
wahrlich, du bist ein Unglück für unser Land
du, der Kläffer, der Beißer, der unübertreffliche Kämpfer
wenn es um Geld geht, um mehr Geld, um noch mehr Geld
ein Tölpel bist du, ein veritabler Trampel
wenn es um Leiden geht, um Weisheit, um Menschlichkeit
Du, Montgomery, Weisheit? Da lachen ja die Hühner
Verständnis? Ausgleich? Versöhnung? Empathie?
Du doch nicht! Du quatschst nur blödes Zeug
erst „Sterbehilfe vom Klempner“, dann „Euthanasie“
Schämst du dich nicht für dein hirnverbranntes Gegeifer?
Schämst du dich nicht für deine Hartherzigkeit?
Du, Schrecken der Leidenden, Schande der Ärzteschaft
bist ja jetzt schon dement in Amt und Stand und Würden
allerdings hast du in der Schublade die Mittel
an die du als Arzt jederzeit herankommst
Mittel die einen leichten Tod gewähren, na klar
(nie sprang ein Arzt vor eine Eisenbahn)
egal was ein Bundestag beschließen möge
egal was wird du hast deine Schäfchen im Trocknen
Alzheimer, du kannst kommen
Montgomery wartet auf dich.

7)
Du, Hermann Gröhe, widerst mich an
du und deine grinsende Visage
GRÖHAZ Größter Heuchler Aller Zeiten
im Mund Freiheit, im Tun Bevormundung
was geht’s dich an wenn einer sterben will
warum darf, wer den Tod vor Augen hat
nicht gehen, wenn er will, und warum darf ihm
der Arzt nicht dabei helfen, sondern nur
ein Angehöriger oder ein „Nahestehender“?
O, ick hör dir trapsen, du falsche Nachtigall
Das also ist dein Plan, du hinterfotziger Grinsling:
Nur Anfängern und Stümpern soll es erlaubt sein
Beistand zu leisten, wenn einer sterben will
nur keinem Fachmann, keinem der sich auskennt
die Leute sollen Angst haben, es könnte schiefgehen
so also sieht sie aus, deine Suizidprävention
Herrlich! Warum nicht dasselbe für die Schwangeren?
„Abtreibung erlaubt, aber nicht gewerbsmäßig
Keine Geschäfte mit dem Abtöten der Leibesfrucht!“
Das wär doch was, du grinsender Reaktionär
obwohl du genau weißt, was immer du heute verbietest
bietet morgen eine Webseite aus Tonga an
Suizid am Strand von Kalifornien
leider etwas teurer, Sterben für Millionäre
ja, das wäre dir recht, du christlich verbrämter Henker
darum, Hermann Gröhe, verurteile ich dich
zu einem qualvollen Sterben ohne Erbarmen
A.L.S. soll dich treffen, die tückische Nervenkrankheit
die Muskeln schwinden, das Sprechen fällt dir schwer
schwächer, immer schwächer wird deine Atmung
du darfst dir aussuchen ob du ins Koma gleiten willst
oder ob du dich lieber künstlich beatmen lässt
Monate an der Maschine, vielleicht Jahre
Jahre dessen, was du „würdiges Sterben“ nennst
dazu, Hermann Gröhe, du nichtswürdiger Minister
verurteile ich dich.

8)
Dir, Hubert Hüppe, vergebe ich
ich sehe dein Schicksal, und ich verstehe dich
der Tag wird kommen an dem dein eigener Sohn
den du im Rollstuhl durch die Straßen schiebst
dich fragen wird: Vater, warum lebe ich
dann sagst du: Weil alles Gezeugte leben soll
Und wenn der Tag kommt (möge er nie kommen)
der schwarze bittere Tag an dem dein Sohn
zu dir sagt: Vater, ich will sterben
ich hasse mich selbst, ich bin der Welt nur Last
dann wirst du sagen: Nein, Sohn, du irrst
Gott gab dir Leben, nur Gott darf es dir nehmen
vertraue doch auf meine, auf unsere Liebe
so wirst du sagen, Hubert Hüppe, das verstehe ich
obwohl wir beide wissen, dein Argument
ist fadenscheinig, dann wenn es Gott wirklich gäbe
dann hätte er nicht nur das Leben gegeben, sondern
auch Herz und Nieren und Blut und alle Organe
Wie also Blut spenden, Organe transplantieren?
„Gott gab die Nieren, nur Gott darf sie auch nehmen!“
müsstest du sagen, und laut protestieren
gegen die gottlose Transplantationsmedizin
Aber lassen wir das, es geht um deinen Sohn
darum vergebe ich dir.

9)
Dich aber, Peter Hintze, segne ich
ich segne dich im Namen derer, die nur noch leiden
ich segne dich im Namen Gottes, obwohl du
als Pfarrer weißt: Es gibt keinen Gott
kein jüngstes Gericht, keine Auferstehung des Fleisches
aber du weißt es gibt Menschen und es gibt Leid
so tiefes Leid, dass kein Medikament
es lindern kann, und keine Hand es wegstreicheln
so tiefes Leid dass nur der Tod es erlöst
so dass es Menschenpflicht ist diesen Leidenden
zu helfen, sanft zu sterben, und das weißt du
dafür, Peter Hintze, segne ich dich.

10)
Und auch dich segne ich, Uwe Christian Arnold
Facharzt für letzte Hilfe, einer muss es doch machen
das was für jeden Arzt das Schwerste ist: zu sagen
dies Leben ist am Ende, ist ohne jede Hoffnung
als diese letzte: endlich gehen zu dürfen
sterben dürfen, schnell und ohne Schmerzen
aber auch ohne andere zu verletzen
die den Erhängten abhängen, den Zerfetzten aufsammeln
so laufen, die sterben wollen, von Pontius zu Pilatus
bis sie endlich deine Telefonnummer haben
und wenn du dann versprichst, ihnen beizustehen
an einem Tag, den sie allein entscheiden
ach, welche Dankbarkeit, welche Erleichterung
dann zeigt sich, die versprochene Sterbehilfe
ist für die Sterbewilligen die beste Lebenshilfe
viele leben Monate, wenn nicht Jahre
unbeschwert, oder sie ertragen was sie nie
zu ertragen glaubten, manche so lange
bis ein gnädiger Tod sie von selbst abholt
oder sie sagen am Ende: Es ist so weit
Du aber, der ihnen dann die letzte Hilfe leistet
lebst doch nicht von Luft und guten Worten
du machst Besuche, tröstest, fährst durchs Land
ist es zuviel verlangt, dass du dafür bezahlt wirst
wie jeder Arzt? Ist das „Geschäft mit dem Sterben“?
Nein, ist es nicht, und darum, Christian Arnold
segne ich dich.

11)
Ich segne Petra Sitte, die Schmerzensfrau
ich segne Renate Künast, die Schnodderschnauze
ihr Gesetzentwurf ist Mist, aber sie meinen es gut
dafür segne ich sie und alle Vernünftigen
ich segne Carola Reimann und Karl Lauterbach
Kristina Schröder, Ursula von der Leyen
Ingrid Matthäus-Meier, Eric Hilgendorf
Thomas Fischer, Elke Baezner, Wolfgang Putz,
ich segne die Mitfühlenden und Klardenkenden
und ich bete zu dem Gott den es nicht gibt

Herr, lass den Kelch der Dummheit an uns vorübergehen

Amen!

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Allen Bundestagsabgeordneten ins Postfach
am Montag, 2. November 2015
 

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